Stimmungsschau - Die Gefühlslage der Tagesschau im Blick
Author
Matze
Date Published

Abends lief die Tagesschau, und jedes Mal fragte ich mich: Ist die Welt wirklich so schlecht – oder fühlt es sich nur so an? Um das Bauchgrummeln gegen belastbare Zahlen einzutauschen, habe ich Stimmungsschau gebaut: eine kleine, unabhängige & unkommerzielle Plattform, die die Tonlage jeder Tagesschau‑Sendung sichtbar machen will und frei zugänglich ins Netz stellt.

Warum ich das tue
Nachrichten prägen unser Weltbild. Wenn wir Abend für Abend hauptsächlich Krisen, Konflikte und Katastrophen sehen, färbt das unweigerlich auf die Stimmung ab. Doch stimmen diese Eindrücke wirklich? Stimmungsschau holt sich seit Kurzem alle Tagesschau‑Beiträge direkt aus der offiziellen API, analysiert sie automatisch und legt damit offen, wie viel Positives, Neutrales oder Negatives tatsächlich gesendet wurde.

Was die Beta heute schon zeigt
- Tages‑Score: Am Tag dieser Zeilen waren 67 % von 18 Meldungen negativ – mein Gefühl lag also nicht völlig daneben.
- Emotionale Landschaft: Themen wie Wirtschaftswachstum tauchten zuletzt zu 96 % positiv auf, Migration dagegen in 22 von 22 Beiträgen negativ.
- Partei‑Perspektiven: Die KI simuliert, wie CDU, SPD, AfD und Grüne reagieren würden. In den letzten 30 Tagen sah die AfD die Nachrichten überraschend positiv (+13 % Nettoplus), während die Grünen fast 50 % negativer lagen.
- Wer steht gut / schlecht da? Selenskyj sammelt Sympathiepunkte, Trump und Chamenei erscheinen fast ausschließlich negativ.
Über 300 Sendungsbeiträge sind bereits ausgewertet; Kategorien wie Sport oder Wetter lasse ich außen vor, damit der Fokus auf politisch Relevantes bleibt. Interaktive Grafiken – von Zeitreihen bis zu Flussdiagrammen – laden dazu ein, die Daten selbst zu erkunden.
Erste Aha‑Momente
Die Zahlen bestätigen den Eindruck der Dauer‑Negativität: An den meisten Tagen überwiegt das Negative deutlich. Besonders drücken Themen wie Migration oder internationale Konflikte auf die Stimmung, während Lichtblicke fast nur aus der Wirtschaft kommen. Die simulierten Partei‑Reaktionen zeigen eindrücklich, wie dieselbe Meldung in unterschiedlichen politischen Lagern ganz anders ankommt – ein Blick auf die wachsende Polarisierung.

Auch einzelne Namen prägen das Gesamtbild: Putin, Netanjahu oder Trump bedeuten fast immer schlechte Nachrichten, während Selenskyj häufiger im Kontext von Unterstützung auftaucht. Stimmungsschau macht diese persönlichen Stimmungsbilanzen auf einen Klick sichtbar.
Wie funktioniert das denn, hm?
- Datensammlung – Ein Cronjob ruft mehrmals täglich die Tagesschau‑API (api2u) auf, holt komplette Beitragstexte und Metadaten. Ohne diese offene Schnittstelle wäre das Projekt nicht möglich – daher ein großes Danke an die Tagesschau‑Redaktion für Transparenz und stabile Access‑Limits.
- Analyse – GPT‑4 (noch - ich Tests mit Mistral laufen) bewertet jede Meldung nach Grundton, versetzt sich dann in die Denkweise der vier großen Parteien und prognostiziert deren Reaktionen. Ein regelbasiertes Sentiment‑System fängt Standardfälle ab; nur knifflige Inhalte schickt es an die KI. So entsteht ein Mix aus Konstanz und Intelligenz.
- Speicherung – Alle Ergebnisse landen strukturiert in MongoDB: Datum, Titel, Kategorie, Stimmung, Partei‑Scores, erkannte Personen … Dadurch lassen sich Trends über Wochen und bald Jahre hinweg nachvollziehen.
- Frontend – Mit SvelteKit baue ich eine reaktive Oberfläche, die Diagramme live aktualisiert. Filter und Tooltipps erklären jede Grafik, sodass Datenfans tief eintauchen können, Neugierige aber ebenso schnell Erkenntnisse bekommen.
Wo es hingeht

Stimmungsschau versteht sich nicht als Medien‑Schelte, sondern als Gefühlsspiegel. Im Gegenteil: Ich bin großer Fan des öffentlich-rechtlichen Journalismus und danke der Tagesschau-Redaktion ausdrücklich für ihre transparente API und großartigen Inhalte. Ohne diese Grundlage wäre das Projekt gar nicht möglich gewesen. Vielleicht hilft die Datenbrille ja sogar Redaktionen, blinde Flecken zu entdecken oder konstruktivere Perspektiven zu bauen.
Nächste Schritte:
- Trends über längere Zeiträume visualisieren (Monats‑ und Jahresrückblicke).
- Zusätzliche Parteien und Akteur‑Profile einführen.
- KI‑Modelle weitertrainieren – auch mit Feedback der Nutzerinnen und Nutzer.
Kurz: Die Reise hat gerade erst begonnen. Ich freue mich auf Hinweise, Kritik und Ideen – und darauf, künftig genau zu wissen, welche Stimmung die Nachrichten wirklich machen.